death by soulwax

okay, okay, ich höre schon die einwände, was schreibt der matze denn jetzt über eine belgische band, hier gehts doch um skandinavische bands?! ich erkläre belgien zu skandinavien zugehörig. basta! folgender text entstand im überschwang nach dem soulwax-konzert in der maria am vergangenen freitag.

Grüner Polo ist das Codewort. Ich stehe auf der Osloer Straße im weder schäbigen noch sonst wie interessanter Teil des Weddings und warte auf Endi. Wir wollen aufs Soulwax-Konzert. Endi kommt vom Fußball und hat auf der Euphorieautobahn die Auffahrt 5:0 Auswärtssieg genommen. Die Kiste, in der er mich aufliest, entpuppt sich als Peugeot, im Innern sitzen außer meinem Konzert-/Studien-/Fußball-/Arbeitskumpan noch seine kleine Schwester Gundula (zu Besuch in Berlin), ein Kerl namens Bio (wie in Biohazard) und dicke Rauchschwaden. Alle drei Dampfen, was das Zeug hält und Bio schnippt mir zur Begrüßung einen Zigarettenstummel in den Schritt.

Bei der Ankunft an der Maria, dem Club am Spreeufer, stehen wir vor geschlossenen Türen. Zehn Uhr ist offensichtlich noch keine Zeit für die Partycrowd. Aber Gundula und Bio haben noch keine Karten, so empfiehlt sich frühes Aufstellen an der Stechuhr. Und tatsächlich formiert sich bis halb elf eine kleine Schlange vor der Tür. Im Hinterzimmer der Maria, dem Josef, läuft heute dankenswerterweise kein Bollertechno, so tauschen Gundula (was für Eltern nennen ihr Kind Gundula?) und ich uns bei Astra über Sozialarbeit mit Prostituierten und Baltikumurlaub in der Nebensaison aus.

Irgendwann gesellt sich Philipp dazu, bei dem ich jedes Mal, wenn ich ihn sehe, denke, wie passend doch sein Spitzname Slim ist. Der versucht, mir die Vorzüge ganz bestimmter Indiebands zu vermitteln, deren Namen ich mittlerweile natürlich längst wieder vergessen habe. Irgendwann fängt es von nebenan etwas lauter an zu rummsen, das muss wohl der Herr Zombie Nation aus München sein. Philipp schleppt mich nach vorne, und siehe da, das bärtige Kerlchen dreht schon erfreulich munter an seiner Armada von Knöpfen, so dass die ersten Partypeople fleißig die Gliedmaßen ausschütteln.

Auch ich versetze meinen Körper langsam in Tanzmodus, das heißt: Erst nickt der Kopf, dann löse ich die Arme aus der Verschränkung, zuletzt, quasi als Ehrerbietung vor dem Act, bewegen sich die Füße. Direkt vor mir tanzen zwei Mittdreißiger einen äußerst bekloppten Tanz, bei dem sie sich eine Art Fechtkampf mit den Unterarmen bieten. So sieht das wohl aus, wenn man zu lange auf der Hiwi-Stelle in Sozialpsychologie sitzen bleibt.

Mir ists egal, ich erweise Zombie Nation steppenderweise meine Hochachtung, und auch der Rest des Clubs wähnt sich scheinbar stellenweise schon beim Hauptact. Nachdem der Herr aus dem Land der Untoten sich artig fürs Mittanzen bedankt hat, überbrückt ein reichlich prolliger DJ mit noch prolligerer Entourage aber solidem Plattensortiment die erfreulich kurze Pause zu Soulwax. Ich führe noch schnell per SMS gesandte Bierholbefehle von Endi aus, und hastduihnichtgesehen stehen beim ersten Schluck aus der neuen Astra-Pulle schon die beiden Flying Dewaele Brothers samt Drummer und Bassist auf den Planken.

Ganz in weiß, bedauerlicherweise ohne Blumenstrauß, aber mit nicht gebundenen Fliegen stehen sie da und grinsen wahrscheinlich feist in sich hinein, denn nur sie wissen, wie sie es in den nächsten gut fünfzig Minuten dem Publikum besorgen werden. Wissen, dass sie einen Haufen Tanzleichen zurücklassen werden, die sich in postorgiastischen Zuckungen winden werden. Die ein debiles Grinsen ins Gesicht gemeißelt mit nach Hause nehmen. Die wahrscheinlich auf dem Nachhauseweg in verzücktem Verwirrungszustand gegen Bäume laufen. Dabei beruht alles auf einer fies kalkulierten Lüge.

Das Konzert von Soulwax war angekündigt worden als die Live-Präsentation ihrer letzten Platte „Nite Versions“. Stattdessen spielt das Quartett einfach die Remixe, die Soulwax im Laufe der Jahre für Acts wie Kylie Minogue, Robbie Williams oder The Gossip angefertigt haben. Das muss man sich mal auf der Pupille zergehen lassen: Sie spielen ihre Remixe. Live. Gesangsspuren wie die von Ladytrons „Seventeen“ brät Stephen Dewaele kurzerhand selbst ins Mikrofon.

Schon nach kurzer Zeit hat der letzte im Club verstanden, wie der Hase läuft, und obwohl noch niemand diese Musik so gehört hat, breitet sich Ekstase schneller aus als der heimtückische Virus in einem amerikanischen Thriller. Das Publikum tanzt, als ginge es um den Eintritt ins Nirvana. Der Vierer auf der Bühne findet sichtlich Gefallen an der Folgsamkeit der Konzertgänger und legt eine Schüppe nach der anderen drauf. Spielt mal kurz Daft Punks „Robot Rock“ an oder Justices „Phantom Pt.2“. Und bekommt es mit hundertfachem Gejohle gedankt.

Immer wieder drehe ich mich ungläubig zu Endi. Auf seinen Lippen formen sich Worte wie „unglaublich“ oder „Wahnsinn“, auf meinen Lippen formen sich Worte wie „Du stehst auf meinem Fuß“. Hören können wir beide nichts, aber das ist egal. Die Musik verbindet unsere Gehirnwellen. Oder zumindest synchronisiert sie unsere Bewegungen. Nicht oft sehen zwei Spacken wie wir so cool aus. Soulwax können so was bewerkstelligen. Soulwax könnten an diesem Abend wahrscheinlich sogar Wasser zu Wein machen, aber sie haben ja die ganze Zeit ihre Finger an den Instrumenten.

Zwischendurch hängt sich David immer wieder die Gitarre um und verleiht dem Set das nötig Quäntchen Rock. Ansonsten fließen die Nummern wie selbstverständlich ineinander, Soulwax machen durch und in einer knappen Stunde das Publikum alle. Spätestens in dem Moment, in dem sie ihren Klaxons-Remix von "Gravity's Rainbow" intonieren, bin ich soweit, ins nächste Tätowierstudio zu marschieren und mir den Namen Dewaele in Fraktur quer über die Brust stechen zu lassen.

Und irgendwann, kurz nach The Gossips „Standing In The Way Of Control“, ist alles plötzlich vorbei. Soulwax sagen artig „Dank u“ und verschwinden von der Bühne. Zugaben sind hier fehl am Platz, und so dreht der DJ mit der Proletenentourage schon wieder an den Rädern. Für uns ist der Abend gelaufen, Endi, Gundula, Bio und ich strahlen wie Atomkraftwerke und beschließen, auf dem Heimweg in verzücktem Verwirrungszustand gegen Bäume laufen.

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